HME – Lesung Kunsthalle Würth

imageHeute startet wieder die Tübinger Poetikdozentur an der Uni in Tübingen. Dieses Jahr ist sie aber für mich besonders spannend, denn Hans Magnus Enzensberger hält dort die Gastvorträge – teilweise alleine, teilweise zusammen mit Dirk von Petersdorff.
Gestern war er aber schon einmal in der Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall und hat aus seinem neuen Buch „Blauwärts. Ein Ausflug zu dritt„, das er in Kooperation mit Jan Peter Tripp und desssen Frau Justine Landat erstellt hat, einige Auszüge vorgelesen und anschließend natürlich einige Bücher signiert.
Laut eigener Aussage wollte er nicht schon wieder einen neuen Gedichtband herausbringen, sondern etwas schaffen, das nur in einem Buch möglich sei. Und so ist zwar doch ein Gedichtband dabei herausgekommen, jedoch mit Illustrationen, Designs und Fotografien seiner Mitautoren. Diese bildichen Untermalungen kann man nicht vorlesen und muss daher das Buch kaufen, um sich ein Gesamtbild machen zu können.

Bei zwei Gedichten musste ich dabei – um es etwas geschwollen auszudrücken – schmunzeln:

  1. Der ernste Schläfer“ (S. 80f)
  2. Optionen“ (S. 82)

Witzig war vor allem, wie er den letzten Vers des ersten Gedichts vorgelesen hat: „Er meint es ernst.“
Erstens ist dieser Vers entgegen allen anderen waagrecht auf die Seite gedruckt, was ihn schon optisch herausstechen lässt, aber auch zugleich andeutet, dass er nicht so recht zu den anderen Versen passt. Zweitens hat ihn Enzensberger mit einem Tonfall vorgelesen, der einem bockigen Kind ähnlich war und man konnte sich dabei richtig vorstellen, wie es auf den Boden stampft, weil es nicht bekommt, was es will und dabei sagt: „Ich meine es ernst.“ Zudem noch die Überschrift eines „ernsten Schläfers“: Wer bitte schläft denn ernst? Vielleicht der, der meint, es sei ihm ernst, aber der tatsächlich alles verschläft? Das passende Bild dazu ist übrigens ein toter Siebenschläfer.

Das zweite Gedicht hat als Bild ein Frauenportrait – im Gegensatz zum ersten geht es hier also nicht um einen „Er“, sondern um eine „Sie“ – und ich lese es in Kurzform so, dass wir Frauen „die Kirche im Dorf“ lassen sollten. Manche Dinge sind einfach zu unwichtig, als dass man sich über sie aufregen müsste – man hat mehrere „Optionen“ wie man sich verhalten kann. Eine angenehme und entspannte Option ist dabei sicherlich, dass man den unwichtigen Dingen, die einen nerven, genau die Aufmerksamkeit schenkt, die sie verdienen: Nämlich keine.

Auf diese zwei Gedichte folgt übrigens „Die Reinkarnation“ und dann „Eine mürrische Unterhaltung“. Auch wenn Enzensberger sich alle Mühe gegeben hat, den Anschein zu erwecken, das Buch sei etwas unzusammenhängend zusammengewürfelt worden, so ist unverkennbar, dass die Anordnung doch wie immer Sinn macht.

Insgesamt also ein wirklich schön gemachtes Buch, das man nicht nur an Lyrikbegeisterte verschenken kann – so viel zur Schleichwerbung ;)

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